TSF Ditzingen – SSV Reutlingen / 18.10.1992
TSF Ditzingen – SSV Reutlingen 1:4 (1:1)
Sonntag, 18.10.1992, 10:30 Uhr
Oberliga Baden-Württemberg 1992/1993, 12. Spieltag
Stadion an der Lehmgrube, Rasenplatz, 71254 Ditzingen
1.500 Zuschauer sahen ein dramatisches Spiel und einen verdienten Reutlinger 4:1 (1:1)-Erfolg
Meister SSV zeigt Ditzingern die Grenzen auf
Nun hat’s also auch die TSF Ditzingen im heimischen Stadion an der Lehmgrube erwischt: In einem über weite Strecken hochklassigen Oberligaspiel unterlagen die Gastgeber vor 1.500 Zuschauern dem amtierenden Meister SSV Reutlingen mit 1:4 Toren und kassierten damit die erste Heimniederlage der Saison. Die Schlüsselszene des Spiels ereignete sich in der 43. Minute, als TSF-Stürmer Jürgen Wagner einen an Ralf Becker verursachten Foulelfmeter am Tor vorbeischoß. Zu diesem Zeitpunkt führten die bis dahin besseren Ditzinger bereits mit 1:0 durch einen Treffer von Gianni Coveli. »Nachdem aber Reutlingens Spielmacher Björn Roth praktisch mit dem Pausenpfiff die Verwirrung über den vergebenen Elfmeter ausgenutzt und den Ausgleich erzielt hatte, brach das Ditzinger Team nach dem Wechsel formlich auseinander. Die logische Konsequenz waren klassische Reutlinger Konter nach der Pause zum 1:4 durch Heth, Winter und Pleuler. TSF-Trainer Dienelt gestand nach dem Spiel ein, daß seine Mannschaft verdient verloren hatte.
Dabei machten die TSF gleich von Beginn an Dampf und heizten den Reutlingern kräftig ein. SSV-Schlußmann Manfred Vöhringer muBte bereits in der ersten Minute gegen Uhl retten. Nachdem ein Erdin-Kopfball nur knapp am Tor vorbeistrich (14.), kam es zu einer wahren Ditzinger Eckballflut, die aber insgesamt nichts einbrachte. Von Meister Reutlingen war bis dato kaum etwas zu sehen, da weder Mittelfeldregisseur Björn Roth noch die Sturmspitzen Winter und Beck etwas zustande brachten. Lediglich der nach langer Verletzungspause wiedergenesene Markus Pleuler sorgte durch Flankenlaufe ab und an für Gefahr vor dem von Frank Hartmann souverän gehüteten Tor. So äußerte sich SSV-Trainer Wilfried Gröbner nach dem Spiel denn auch erleichtert über die Wiedergenesung seines Mittelfeldspielers.
Das Spiel gewann immer mehr an Klasse, da die TSF Ditzingen den Angriffsdruck erhöhten. Erst wurde ein Wagner-Schuß von einem Reutlinger Abwehrbein noch von der Linie gekratzt (29.), anschließend vertändelte Kahraman Erdin den Ball im Strafraum (36.). So schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Ditzinger Treffer fallen wurde. In der 37. Minute war es dann so weit: der in der ersten Halbzeit agile Markus Widmayer setzte sich am linken Flügel durch, flankte butterweich in den Strafraum und Abwehrspieler Gianni Coveli schoß direkt — 1:0. Riesenjubel beim schon ungeduldig gewordenen Ditzinger Anhang.
Daß ein Tor dem Spiel nur gut tut, zeigte sich dann in den letzten fünf Minuten der ersten Halbzeit. Zunächst verfehlte Jürgen Kantenwein mit einem Distanzschuß das Reutlinger Tor nur knapp (40.). Anschließend ertönte der Elfmeterpfiff des unparteiischen Baur, nach einem Schubser an Ralf Becker (44.). Zum Entsetzen der Ditzinger Fans schob Jürgen Wagner den Ball jedoch am Tor vorbei. Eine Szene mit spielentscheidendem Charakter: Denn während auf der Tribüne noch heftig über den vergebenen Elfmeter diskutiert wurde, schlug’s völlig Überraschend im TSF-Tor ein. Björn Roth hatte eine Eckballflanke von Thomas Schwend unhaltbar per Kopf zum 1:1 in den Winkel gewuchtet (45.).
Nach dem Spiel erklärten beide Trainer den vergebenen Elfmeter zur spielentscheidenden Szene. Reutlingens Trainer Gröbner analysierte: „Wenn Ditzingen das 2:0 gemacht hatte, wäre es für uns wirklich schwer geworden.“ Und Herbert Dienelt bedauerte: „Meiner Mannschaft hat nach dem Elfmeter einfach die Moral und vor allem die Kraft gefehlt.“
In der zweiten Hälfte bot sich dann auch ein völlig verändertes Bild. Der SSV Reutlingen kam immer mehr auf und setzte die TSF Ditzingen stark unter Druck. Mit einem nun alles Überragenden Mittelfeldmotor Roth, dem laufstarken Hermann Rudolf und der pfeilschnellen Spitze Thomas Winter wurde das Mittelfeld immer wieder schnell überbrückt. Daraus ergaben sich zwangsläufig mehrere hochkaratige Reutlinger Chancen. Dagegen lief im Ditzinger Mittelfeld so gut wie gar nichts zusammen, da Regisseur Kantenwein zwar fleißig aber sonst ein Totalausfall war und auch Markus Uhl keine spielerischen Akzente setzte. So hing mitunter der Sturm völlig in der Luft. Jürgen Wagner, nicht zuletzt aufgrund des verschossenen Elfmeters, spielte unglücklich und auch der gute Kahraman Erdin hatte trotz großen Einsatzes Schußpech.
So nahm die Ditzinger Niederlage ihren Lauf. Zunächst konnte Hartmann noch glänzend gegen den freistehenden Roth parieren (49.), doch dann war auch er gegen den Rechtsschuß von Heth aus dem Gewühl machtlos – 1:2 (69.). Die Ditzinger hatten zuvor noch durch Erdins fulminanten Lattenknaller die Chance zur möglichen Führung vergeben. Doch der SSV Reutlingen zeigte in der zweiten Halbzeit auf dem schweren Geläuf, warum er letztes Jahr Oberligameister wurde. So waren die Gäste den Gastgebern nicht nur körperlich, sondern auch technisch Überlegen. Die restlichen Tore zum 1:3 und zum 1:4 ergaben sich zwangsläufig, als die TSF durch Hereinnahme von Marijanovic und Kleyer alles auf eine Karte setzten. Da verschlug’s selost dem Stadionsprecher im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache. Zunächst vollendete Winter nach einer Links-Hereingabe von Rudolf zum 1:3 (74.). Anschließend setzte Pleuler mit einem abgefälschten Schuß zum 1:4 noch eins drauf (84.).
Herbert Dienelt brachte es nach dem Spiel auf den Punkt: „Wir sind einfach noch keine Spitzenmannschaft, denn so darf man zu Hause nicht einbrechen.“ Außerdem: Der SSV Reutlingen scheint für die TSF so etwas wie ein Angstgegner zu sein – im dritten Aufeinandertreffen setzte es die dritte Niederlage.
Bericht & Fotos aus der Fußball-Info TSF Ditzingen Ausgabe 8 Seite 31 (1992/1993)